Ich hole mal ein wenig aus, weil es doch mehr und mehr beschäftigt.
TEIL 1: Wir erinnern uns an einen Auftrag Ende der 1990er-Jahre, als wir auf der damaligen Premiere der Jugendmesse »YOU« in Dortmund das interaktive Programm auf dem Messestand eines Kunden konzipieren und umsetzen sollten. Wenige Tage vor Start der Messe erhielten wir die Information, dass man sich mit dem Messebauer überworfen hatte und man uns bittet, nunmehr ein interaktives Programm für die Jugendlichen auf der quasi frei gewordenen Fläche ohne jeden Messe-Aufbau zu bewerkstelligen.
Eine spannende Herausforderung und zu guter Letzt ein riesiger Spaß, für den wir auch noch vom Veranstalter der Messe und unserem Kunden gleichermaßen gefeiert wurden. In Kenntnis der Umstände. Wir erinnern uns aber auch an Mitbewerber, die seinerzeit während der Messe die ein oder andere krasse Bewertung über unsere Arbeit meinten abgeben zu müssen und auch bei unserem Kunden vorstellig wurden. »Wir können deutlich bessere Messe-Stände bauen. Arbeiten Sie mit uns!« Was will ich damit sagen? Es haben ganz schnell Menschen bewertet, geurteilt und sich in den Vordergrund gespielt, die keinerlei tiefere Kenntnis über den Sachverhalt hatten. Am Rande sei erwähnt: der Kunde arbeitet heute noch mit uns!
TEIL 2: Der FC war noch nie Deutscher Meister. So lautete die fette Headline einer Kölner Plakat-Kampagne in den letzten Wochen. Und bot natürlich nach dem gleichen Prinzip wie in Teil 1 beschrieben, nur etwa 20 Jahre später, die Vorlage für so manche Schulhof-Hänselei. Die Bayern-Fans gegen die kleinen Kölner Fans im Vormarsch. »Ätsch, Ihr ward ja noch nie…«. Mein Sohn, seines Zeichens FC-Fan (für die Immis frei nach Wolfgang Niedecken: als Kölner gibt es drei Dinge, die man sich nicht aussuchen kann: Vater, Mutter und der Club, mit dem man leidet), war leicht irritiert, wo denn diese Info herkommen mochte.
Einige Tage später fuhren wir dann an einem der besagten Plakatwände vorbei und natürlich kam die Aussage: »Jetzt weiß ich, wieso in der Schule alle erzählen, dass wir noch nie Deutscher Meister waren. Aber das stimmt doch gar nicht?!« Natürlich stimmt das nicht. Stand da auch gar nicht. Denn im Kleingedruckten darunter geht der Text sinngemäß weiter: »…könnte man später denken, wenn wir das Stadt-Archiv nicht bewahren…« Aber: Überschrift lesen reicht ja, um den Mund aufzumachen.
TEIL 3: Also! Das Ding hat so ziemlich jeder gesehen und gehört. Die fantastischen Emotions-Ausbrüche des isländischen Fernseh-Reporters bei der EM 2016 in Frankreich. Vergangene Woche dann die Überschrift in der Express Online: »Wird Islands Kult-Reporter jetzt gefeuert?«
Soweit die Überschrift. Der Bericht: im Nebenjob Trainer eines isländischen Drittligisten und in dieser Funktion sogar während der EM vom Reporter-Job zum entscheidenden Spiel seiner Mannschaft nach Island geflogen. Und dann verloren, so dass sein Team wohl absteigen wird und er, der Kult-Reporter, nun als Trainer womöglich gefeuert wird. Warum ich das erzähle? Mehr als 90% der Leserinnen und Leser regen sich schon wenige Minuten nach Erscheinen des Artikels wütend darüber auf, dass der Kommentator doch »so geil war«, »dass man sich so viel Emotion auch mal von nem deutschen Reporter wünschen würde«, »dass es zum Kotzen sei, dass irgendwelche Spießer jetzt so einem kultigen Reporter den Job und seine Existenz rauben«, bla bla bla… Dabei stand schon im zweiten Satz des Artikels, worum es wirklich ging.
Clickbaiting. Klar. Dient in seinem ursprünglichen Sinne aber dazu, dass man auf einen Artikel aufmerksam macht. Nur dumm, wenn den keiner mehr liest… Ein wesentlicher Teil der Menschen liest nur noch Überschriften, redet dann aber dennoch und meist viel zu laut im Sinne von Meinungsmache mit. Ist unsere Welt zu einem hohen Anteil schon so verblödet, dass zum Manipulieren bereits eine simple Headline reicht?
Nun sind dies drei Beispiele, die ja nicht wirklich weh tun. Aber es ist ebenso klar, dass dies auf deutlich wichtigere Themen übertragbar ist. Wie war das noch gleich? Die Engländer haben NACH dem Brexit gegoogelt, was ein Brexit wirklich für Sie bedeuten könnte?
Vielleicht haben Englands Fußballer auch erst nach dem Spiel gegen Island gegoogelt, was Achtelfinale bedeutet…
Und was hat das Bild zu diesem Blog-Beitrag mit dem Text zu tun? Nichts.